Rauf und runter in der gar nicht goldenen Mitte

Geht da noch was, oder ist es schon zu warm? Gute Frage, aber die Antwort kann amn erst geben, wenn man’s probiert hat. Das Schareck mit seinen drei Eisrinnen wollte ich schon lange mal machen, und nachdem Hias für solche Touren schnell zu begeistern ist, brechen wir am Sonntagmorgen lange vor dem Sonnenaufgang am Parkplatz Lenzanger auf. Das ist auch gut so, denn die Wettervorhersage für diesen Tage verheisst nicht gerade optimale Temperaturen für so eine Tour. Will heißen, es wird verdammt warm, und darüber hinaus weht ein anständiger Wind, also eigentlich ein richtiger Föhnsturm.
Nach einigen Umwegen auf der Suche nach dem Schnee, erleuchten die ersten Sonnenstrahlen Sonnblick, Hocharn und Ritterkopf. Kurz vor dem Grat in Richtung Niedersachsenhaus müssen wir für eine etwas heikle, weil eisig-harte Querung die Schi abschnallen, bevor es dann hinunter zum Bräuwinkel geht. Am Grat schweift mein Blick die lange Schneeflanke hinunter und für einen Moment läuft es mir kalt über den Rücken, ich werde unsicher. Meine Gedanken, Gefühle sind bei meinem langen Abgang Ende April am Zustieg zur Hochfeiler Nordwand. Hias merkt, dass ich zögere und wir sprechen kurz. Nach einigen Minuten kann ich mich wieder konzentrieren und blicke voller Vorfreunde hinüber zu den drei Eisrinnen und den darüber liegen Gipfelaufbau des Scharecks. Nach einer kleinen Abfahrt in den Bräuwinkel heisst es erneut die Felle aufziehen und langsam nach oben gleiten. Bereist am oben am Grat legten wir uns darauf fest, die mittlere Eisrinne zu versuchen, weil sie zum Einen etas anspruchsvoller als die linke Rinne ist, aber auch einen aus der Weite besseren Eindruck macht. Die recht Rinne wäre zwar durch den durchgängigen Eisfall beim Einstieg auch machbar gewesen, aber mit dem Bedacht auf die Abfahrt, erschien uns die „goldene Mitte“ die beste Alternative. Durch die nordwestliche Ausrichtung liegen die drei Rinnen noch im Schatten, was uns selbst bei einer moderaten Steilheit im Zustieg zur mittleren Rinne schnell dazu veranlasste, von Schi auf Steigeisen und Eisgeräte umzurüsten. Nun gings also zur Sache und nach etwa 100 Höhenmeter im Aufstieg wurde nicht zuletzt durch den ständigen Beschuss mit mehr oder minder großen Eis-, Schnee- und Steinbrocken klar, dass der Föhnsturm heute nicht unser Freund ist.
Auch wenn die Rinne trotz steigender Temperaturen noch sehr stabil ist, fegt der Sturm aus den Flanken Eis und Schnee hinein. Also eine Art Spindrift der zeitweise mit härterem Material versetzt ist. Hias und ich überlegen, ob wir abbrechen sollen, oder es einen vertretbaren Weg gibt, so halbwegs sicher den weiteren Aufstieg zu meistern. Unsere Strategie sah vor, dass einer ca. 50-60 Schritte möglichst flott vorstieg, und der andere etwas ausserhalb der zentralen Rinne das Geschehen und mögliche Gefahren von oben beobachtet. Dann wurde gewechselt, und Schritt für Schritt kamen wir dem Ausstieg immer näher. Im oberen Teil legte sich der Beschuss von oben deutlich, und wir konnten die letzten Meter etwas entspannter, aber sichtlich auch mit schon schweren Armen und Beinen angehen. Im Mittelteil der Rinne fiel mir auf, dass unten im Bräuwinkel zwei weitere Schitourengeher sich unserer Rinne näherten. Durch die schon deutliche tageszeitliche Erwärmung hoffte ich, dass die beiden nicht einsteigen würden. Ich machte Hias kurz auf unserer „Verfolger“ aufmerksam, wir konzentrierten uns dann aber schnell auf die letzten, und auch sehr anstrengenden Höhenmeter bis zum Gipfel.
Geschafft, ich war überglücklich, auch ein wenig erleichtert, weil soweit alles gut gegangen ist, und abgesehen von ein paar Schreckmomenten durch am Helm einschlagenden Schneebrocken, haben wir die Rinne passabel hinter uns gebracht. Zumindest im Aufstieg!
Es ist schon richtig warm, und wenn wir nicht bald starten und abfahren, wird es für eine sichere Abfahrt zu warm. Wir warten, blicken ständig zum Ausstieg aus der Rinne, doch die beiden Nachsteiger tauchen nicht auf. Ok, es hilft nichts, wir müssen los, also noch schnell ein Blick hinüber zu Sonnblick und Hocharn, dann wir ziehen unser Schwünge in den schon schweren Schnee. Nach einigen Minuten kommen wir beim Ausstieg aus der Rinne an, von den beiden Nachsteigern noch keine Spur. Wir warten erneut, sicher 20-30 Minuten, und dann endlich klettern die beiden aus der Rinner heraus. Etwas angespannt wechseln wir schnell ein Paar Worte und wir raten den beiden sofort mit uns abzufahren, weil es höchste Zeit ist und später die Gefahr immer größer wird, dass der schwere Schnee aus der Rinne abgeht. Aber die beiden entscheiden sich, trotz der Umstände für den Gipfelanstieg. Die ersten Meter in der Rinne liegen schon in der Sonne, und der Schnee ist schwer, nass, aber noch halbwegs fahrbar. Im Mittelteil ist es eigentlich fast optimal, und der Firn lässt ein flüssige Abfahrt zu. Doch dann kommt von oben schon ein Vorgeschmack auf später, und spült den schweren Schnee durch die Rinne hinunter. Wir warten an der äußeren Flanke und sehen uns den Schneerutsch, der einem mittelschnellen Strom aus Schnee und Eisbrocken gleicht, mit einer gewissen Gelassenheit an. Als der Rutsch sich dem Ende neigt, fahren wir die letzten Meter aus der Rinne heraus und hinunter in den Bräuwinkel. Wir haben es geschafft, und auch wenn der Zeitpunkt der Abfahrt schon eher grenzwertig war, konnten wir die Schwünge in der Rinne doch richtig genießen. Nach dem erneuten Aufstieg zum Niedersachsenhaus gönne wir uns ein länger Pause und beobachten dabei aufmerksam die mittler Eisrinne. Endlich tauchen die beiden Spätaufsteher auf und fahren die Rinne hinunter. Zum Glück verläuft alles ohne ZWischenfall und als die beiden im Bräuwinkel ankommen, treten auch Hias und ich entspannt die Abfahrt nach Kolm Saigurn an. Unweit vom Sonnblickgipfel entfernt, kreist ein Hubschrauber, was im Normalfall bedeutet, das etwas passiert ist. Bei der Sonnblickbasis angekommen, gönnen Hias und ich uns dann ein wohlverdientest Bier, erzählen dem interssierte Hüttenwirt von unserer Tour, den beiden Spätaufstehern und den eigentlich nicht mehr optimalen Bedingungen. Der Wirt meinte dann, dass es in der rechten Sonnblickrinne einen Lawinenunfall mit zwei Alpinisten gab. Das erklärt somit auch den Hubschrauber. Einige Tage nach der Tour stellte sich heraus, dass einer der beiden Verschütteten, die zum Glück beide überlebten, ein guter Freund von mir ist.

  • Alpenvereinskarte 42 | Sonnblick
  • Kompass-Karte 39 | Glocknergruppe
  • Schareck (3123 m)

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